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6 Thesen zu den Trends im Geschäftsreisemarkt der Zukunft

Ein gemeinsamer Beitrag von Petra Hedorfer (DZT) und Matthias Schultze (GCB)       Fri, Jan 10, 2025

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Mit dem weitgehenden Stillstand des weltweiten Tourismus‘ nach Ausbruch der Covid 19-Pandemie kam auch die Geschäftsreisetätigkeit abrupt zum Erliegen. Das bedeutete auch einen kompletten Reset für die bis dahin erarbeiteten Positionen im Wettbewerb der Destinationen. Entsprechend werden im Restart die Karten neu gemischt. Die Präsentation des Meeting- & EventBarometers (MEBa) 2022/23, die OMR Hamburg und die IMEX Frankfurt skizzieren wichtige Indikatoren für die aktuelle Situation und Trends im Markt. Petra Hedorfer und Matthias Schultze analysieren in ihrem folgenden Beitrag anhand von 6 Thesen, wie Deutschland die erste Recovery-Phase gemeistert hat, welche Entwicklungen und Kriterien für die Zukunft der Geschäftsreise wichtig werden und wie Deutschland an der künftigen Marktentwicklung partizipieren kann. 1. Der internationale Geschäftsreisemarkt erholt sich nach drei Krisenjahren dynamisch. Deutschlands Incoming-Tourismus nimmt an der bisherigen Recovery überproportional teil und könnte in Zukunft seine Top-Position sogar noch ausbauen. Zunächst wollen wir die Eckdaten betrachten: Der internationale Geschäftsreisemarkt überwindet schrittweise die starken Rückgänge infolge der COVID 19-Pandemie. 2022 wurden jedoch noch nicht wieder die Recovery-Raten wie im Segment des Urlaubstourismus und der sonstigen Privatreisen erreicht. 2019 2022 Recovery Rate Urlaubsreisen 40,7 Mio. 30,0 Mio. 73,7% Geschäftsreisen 16,1 Mio. 11,0 Mio. 68,3% sonst. Privatreisen 13,1 Mio. 10,7 Mio. 81,7% Quelle: IPK 2019-2022, WTM Bezogen auf das Reiseland Deutschland hat sich die Zahl der Geschäftsreisen aus Europa 2022 laut IPK International gegenüber 2021 zwar mehr als verdoppelt (plus 122 Prozent), bleibt jedoch immer noch um rund 30 Prozent hinter den Rekordzahlen des Vorkrisenjahres 2019 (2019 absolut: 13,3 Mio. Geschäftsreisen aus Europa, 2022: 9,2 Mio.). 84 Prozent der über elf Millionen Geschäftsreisen nach Deutschland im Jahr 2022 kamen aus europäischen Quellmärkten, 16 Prozent aus Übersee, wobei diese sich im Vorjahresvergleich mehr als verdreifachten. Das ist besonders eindrucksvoll vor dem Hintergrund, dass die bestehenden Reiserestriktionen in China erst im März 2023 gelockert wurden und diese große Volkswirtschaft 2022 kaum zum internationalen Geschäftsreisevolumen nach Deutschland beitragen konnte. Im Wettbewerb der europäischen Destinationen hat Deutschland seine Top-Position als Geschäftsreiseziel in der ersten Restart-Phase nochmals deutlich ausgebaut. Deutschland: Geschäftsreiseziel Nr. 1 der Europäer | © DZT Um diese starke Position auch in Zukunft zu sichern, benötigen wir auf der einen Seite fundierte Analysen der Einflussfaktoren, die Deutschland als Geschäftsreiseziel heute attraktiv machen, und auf der anderen Seite ein umfassendes Trendmonitoring mit Blick auf technologische Möglichkeiten, Kommunikationsmuster, soziale Akzeptanz von Neuerungen und Marktperspektiven. Zu den starken Assets der Gegenwart gehört zweifellos das hervorragende Image von Deutschland weltweit: Im Anholt Ipsos Nation Brands Index (NBI) können wir auf Platz 1 im Gesamtranking bauen. Im Hexagon der Standortfaktoren des NBI sind „Export“ und „Human Factors“, die für den Geschäftsreisemarkt besonders relevante Teilindizes. Bei Geschäftsreisen geht es immer um wirtschaftliche Beziehungen und Netzwerke, die durch die persönliche Interaktion und den Austausch vor Ort gestärkt werden. In diesen beiden Kategorien performt Deutschland ebenfalls überdurchschnittlich gut. Auch die Kompetenzen Deutschlands in Schlüsselbereichen von Wirtschaft und Wissenschaft sind hier ein wesentlicher Faktor. Laut MEBa wählen mehr als drei Viertel der befragten Veranstaltungsplanerinnen und -planer die Destination passend zum jeweiligen Thema des Events aus. Und: Geschäftsreisende aus dem Ausland bestätigen eine stabil hohe Qualität des Angebotes. Der Qualitätsmonitor Deutschlandtourismus weist für den Befragungszeitraum Mai 2015 bis Oktober 2022 auf einer Skala von 1 (äußerst begeistert) bis 6 (eher enttäuscht) eine Gesamtzufriedenheit von 1,95 aus. Zugleich wissen wir, dass wirtschaftliche Entwicklungen immer volatiler werden und die Wahrnehmung von Markenimages sich auch aufgrund exogener Faktoren wandeln können. Es wird also für die Zukunft des Geschäftsreisestandortes essenziell, attraktive Rahmenbedingungen für Geschäftsreisende zu schaffen und so das Markenprofil weiter auszubauen. 2. Der Geschäftsreisemarkt hat für Deutschland als Destination sowie als Wirtschaftsstandort eine besonders große Bedeutung. Das Geschäftsreisesegment hat im deutschen Incoming-Tourismus eine besondere Relevanz. Rund jede fünfte Reise aus dem Ausland nach Deutschland dient geschäftlichen Zwecken, im europäischen Durchschnitt liegt dieser Anteil lediglich bei elf Prozent. Darüber hinaus generieren Geschäftsreisende eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Wertschöpfung. So lagen die Reiseausgaben der ausländischen Business Traveller in Deutschland 2022 inklusive Anreise bei 131,00 Euro pro Nacht und damit deutlich über den Reiseausgaben bei Urlaubern (107,70 €) und sonstigen Privatreisen (80,50€). Unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Wertschöpfung hat die Pandemiezeit ebenfalls deutliche Spuren hinterlassen, denn neben der Zahl der Reisenden sanken auch die Pro-Kopf-Ausgaben von 127,50 Euro pro Reisetag im Jahr 2019 auf 94,40 Euro im zweiten Pandemiejahr 2021. Die von Geschäftsreisenden aus Europa nach Deutschland generierten Umsätze sanken nach Angaben von IPK International von 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 bis in das zweite Pandemiejahr 2021 auf 3,8 Milliarden Euro und erholten sich 2022 wieder auf 7,0 Milliarden Euro. Rückgang und teilweise Erholung treffen die gesamte Wertschöpfungskette der Tourismusbranche. Geschäftsreisende und Messen / Kongresse steigern nicht zuletzt die Auslastung von Kapazitäten in der Stadthotellerie antizyklisch zu Feriensaisonzeiten und leisten so einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Betriebe. Analog dazu konstatieren 88 Prozent der Anbieter im Veranstaltungsmarkt laut MEBa 2022/2023 steigende Umsätze gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 77 Prozent. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftsfaktor sind – gerade im Bereich der promotablen Reisen – notwendige Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise von Veranstaltungs- und Kongresszentren, um ein attraktives und wettbewerbsfähiges Angebot zu präsentieren, die fortlaufende Modernisierung von Konferenztechnik und vieles mehr. Damit diese Investitionen sich rechnen, muss wiederum eine entsprechende Nachfrage generiert werden. Die Krisenjahre haben zahlreiche Dienstleister substanziell getroffen. 3. Der Geschäftsreisemarkt befindet sich langfristig in einem tiefgreifenden Wandel, der durch die Pandemie erheblich beschleunigt wurde – kommt nun ein Rollback? Langfristig ist der Markt der Geschäftsreisen in einer stetigen Transformation. Während der letzten Dekade – also vom Ende der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise bis zum Ausbruch der Covid 19-Pandemie – ist die Zahl der Geschäftsreisen nach Deutschland insgesamt stetig gewachsen, von 12 Millionen im Jahr 2010 auf 16 Millionen im Jahr 2019. Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der traditionellen Geschäftsreisen von 53 Prozent auf 44 Prozent, promotable Geschäftsreisen gewannen sowohl in absoluten Zahlen als auch in Marktanteilen. Post Corona stellt sich hier die Frage nach Verschiebungen in der Nachfrage bei einzelnen Segmenten: Ist die langsamere Erholung traditioneller Geschäftsreisen (Recovery-Rate von 63 Prozent) ein Hinweis auf deren dauerhafte Verlagerung in den virtuellen Raum, etwa in Form von Videokonferenzen? Oder verzögert lediglich die aktuelle wirtschaftliche Situation bei wichtigen Marktteilnehmern eine schnellere Erholung? Die Marktanteile der promotablen Geschäftsreisen steigen jedenfalls deutlich und erreichen 2022 bei den europäischen Geschäftsreisenden 60 Prozent, bei denen aus Übersee sogar 67 Prozent. Die von IPK International untersuchten Reiseabsichten 2023 bestätigen einen entsprechenden Trend: 43 Prozent der Business Traveller wollen traditionelle Geschäftsreisen unternehmen, 77 Prozent MICE-Reisen (Mehrfachnennungen möglich) Auch innerhalb des Segmentes der promotablen Geschäftsreisen zeichnen sich deutliche Profilverschiebungen ab. Ausgangspunkt sind die vom MEBa erfassten 2,9 Millionen Veranstaltungen im Jahr 2019. Meeting- & EventBarometer - Veranstaltungssplit | © GCB Als erste Reaktion auf den Lockdown 2020 wurden fast die Hälfte der Präsenzveranstaltungen aus dem Vorjahr direkt durch virtuelle Formate ersetzt, die Zahl der Präsenzveranstaltungen sank deutlich auf 0,8 Millionen. Erstmals erschienen als zusätzliches Segment 100.000 Hybrid-Events als Kombination aus Online- und Präsenzveranstaltung. Im zweiten Pandemiejahr nimmt die Entwicklung weiter Fahrt auf: 3,0 Millionen rein virtuelle Veranstaltungen bedeuten mehr als eine Verdopplung gegenüber 2020. Rund 360.000 Hybridveranstaltungen bedeuten einen Senkrechtstart für das neue Format, während echte Präsenzveranstaltungen aufgrund der langen Lockdown-Phase zu Beginn des Jahres weiter erodieren. Insgesamt übertrifft die Zahl der Veranstaltungen im zweiten Coronajahr sogar die Rekordwerte des Vorkrisenjahres 2019! Das spiegelt sich auch in den Teilnehmerzahlen wider. Führt der digitale Schub durch Corona zu einer Expansion des Marktes insgesamt? Die Betrachtung der MEBa-Ergebnisse 2022 ergibt einen Zuwachs von Veranstaltungen vor Ort: Kräftige Gewinne bei den Präsenzveranstaltungen kompensieren die Verluste bei den Hybridformaten, während rein virtuelle Veranstaltungen deutlich zurückgehen. Eine unmittelbare Gegenüberstellung der Säulen 2019 und 2022 zeigt: Neue Formate entstehen und etablieren sich. Welche Größenordnung sie postpandemisch erreichen, bleibt abzuwarten. Das Comeback der Präsenzveranstaltung gibt deutliche Hinweise, dass persönliche Begegnungen auch in Zukunft gefragt sind. Die Zahlen verdeutlichen den Bedarf nach einem doppelten Fokus auf persönlicher Begegnung und virtueller Vernetzung, der insbesondere von den befragten Veranstaltern mit Blick auf die Marktentwicklung der nächsten Jahre bestätigt wird. Um erfolgreich am künftigen Mix der Formate zu partizipieren, müssen auf der Anbieterseite sowohl die Soft Skills für Präsenzveranstaltungen wie Servicequalität und attraktive Rahmenprogramme stimmen als auch die digitale Kompetenz zur Organisation virtueller und hybrider Formate. Gezielte Forschungsarbeit, wie in dem vom GCB und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO 2015 gegründeten Innovationsverbund Future Meeting Space, schafft die Basis für innovative Kommunikationsformate. Diese sind der Schlüssel dafür, dass Deutschland seine führende Position im internationalen Wettbewerb der Geschäftsreiseziele halten und ausbauen kann. 4. Der Geschäftsreisemarkt als Treiber der Nachhaltigkeitsstrategie „Messen – Mindern – Kompensieren“, so lautet der strategische Ansatz, um im Incoming-Tourismus den ökologischen Footprint wirksam und dauerhaft zu reduzieren. Das gilt in gleichem oder sogar noch höherem Maße für die Geschäftsreisen nach Deutschland, schon weil diese oft mit längeren Anreisen verbunden sind (siehe oben – überproportionaler Anteil der Business Traveller bei den Deutschlandreisenden aus Übersee). Im ersten Schritt – Messen – ist eine möglichst präzise Analyse der durch Veranstaltungen verursachten Emissionen erforderlich. Eine genaue Kenntnis des ökologischen Footprints von Veranstaltungen gibt Veranstaltern, Planern und Anbietern klare Entscheidungshilfen bei der verantwortungsbewussten Wahl und Gestaltung von Formaten. Handlungsleitfäden, wie die von der DZT entwickelte Balance Score Card und die Integration der Daten in die Erfolgskontrolle, sind ein wichtiger Schritt zur Optimierung von Prozessen unter ökologischen Gesichtspunkten. Die Mobilität bietet weitere Möglichkeiten zum Mindern von Emissionen in der Customer Journey. Sie ist ein Kernelement bei der Entscheidung für Präsenzveranstaltungen versus Hybrid- und Digital-Events. Nachhaltige Mobilität schließt die Erreichbarkeit von Veranstaltungsorten mit klima- und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, wie Bus und Bahn, sowie die Einbeziehung des ÖPNV in Veranstaltungskonzepte ein. Große Investitionen in Forschung und Entwicklung bei bedeutenden Industrieunternehmen öffnen weitere Chancen zur Minderung von Emissionen und zur Verbesserung der Klimabilanz auch in der Aviation-Branche. Dazu zählen beispielsweise technologische Fortschritte, wie die Einführung nachhaltiger Antriebe oder Treibstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Hier treffen sich die Vorteile Deutschlands als Standort mit hoher Kompetenz in Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und als hervorragend etabliertes MICE-Ziel auf der anderen Seite. Durch den strategischen Ansatz „Messen und Mindern“ lassen sich Emissionen zwar wirksam reduzieren, aber nicht völlig auf Null senken. Neben technologischen Innovationen und gezielter Prozessgestaltung sind Modelle zur Kompensation ein probates Mittel, die ökologische Bilanz von Veranstaltungen wirksam zu verbessern und im Geschäftsreisebereich gut umzusetzen, da Unternehmen sich immer mehr an ESG-Kriterien orientieren (müssen). Wir sehen sowohl auf Nachfrage- als auch auf Anbieterseite, dass das Thema Nachhaltigkeit im MICE-Segment „angekommen“ ist. Das geht Hand in Hand mit dem veränderten Wertebewusstsein der Reisenden selbst. Verschiedene Datenanalysen von IPK und teralytics belegen einen steigenden Marktanteil der Bahnanreise im Modalsplit der Verkehrsträger. Daten aus dem Qualitätsmonitor Deutschlandtourismus für den Befragungszeitraum Mai 2015 bis Oktober 2022 machen mit Blick auf die Verkehrsträgerwahl der Geschäftsreisenden deutlich, dass Geschäftsreisende mit 13 Prozent eher das Verkehrsmittel Bahn wählen als die Urlaubsreisenden (Anteil Bahn 11 Prozent).